Alex Burghardt ist auf der Tartanbahn die schnellste Frau Deutschlands.
Und plötzlich ist sie auch erfolgreiche Bobfahrerin. Sie hat die Herausforderung angenommen und sich in unter 100 Tagen 2 x als erfolgreiche Olympionikin bewiesen.
Liebe Alex Burhardt, Wann ist die Entscheidung für die Winterspiele gefallen? vor den Sommerspielen oder danach?
Tatsächlich hat sich die Entscheidung erst spät entwickelt. Direkt nach den Sommerspielen kam der Verband auf mich zu und Ende August haben wir uns zu dem Thema zusammengesetzt. Einen Tag vor dem ISTAF in Berlin habe ich dann einen Anschub Test gemacht. Das war die Grundbedingung, um überhaupt die Möglichkeit auf ein Ticket zu haben.
Nach dem ersten Antritt wurde ich gleich Zweite und die ersten drei sind für den Olympiaschlitten gesetzt. In dem Augenblick war für mich klar: Wenn mir das Fahren auch Spaß macht und ich mich nicht allzu blöd anstelle, dann kann es funktionieren. Allerdings wusste ich erst nach dem Ersten Weltcup, wieviel Spaß es mir macht. Und im Laufe des Novembers habe ich dann meine Chance gesehen.
Was, wenn du gesagt hättest, das ist nichts für mich. Gab es alternativE Besetzungen?
Auf jeden Fall. Wir hatten 2 Ersatz-Anschieberinnen dabei, die sehr gut sind. Man braucht auch mindestens 3 Leute für einen Schlitten. Zu zweit kann man den Schlitten nicht mal bewegen. Auch wenn es von außen nicht so wahrgenommen wird, Zweierbob ist eine sehr starke Teamsportart. Es sind nicht nur die zwei, die man im Schlitten sieht, sondern es sind viel mehr daran beteiligt.
Braucht es mehrere Personen um den Schlitten auf die Bahn zu bringen?
Um den Sport herum herrscht eine Riesenlogistik. Der Schlitten wird in einer Art Container Garage vorbereitet. Hier werden z.B. die Kufen montiert und geschliffen. Von dort muss der Bob zum Start gebracht werden. Das bedeutet, er wird in einen Transport-Lkw eingeladen. Allein dafür und genauso zum Ausladen am Starbereich braucht es schon ein Team von vier Personen.
Im Startbereich angekommen, kommt eine Rolle unter den Schlitten. Damit wird er zum Park Fermé gebracht. Das muss man sich wie eine Art Callroom für den Schlitten vorstellen. Hier wird er wieder aufgebockt und rennfertig gemacht und anschließend in die Startspur gebracht. Zu zweit ist das alles gar nicht möglich. Erst auf dem Eis sind wir zu zweit unterwegs. Das Team ist ein ganz starker Rückhalt.
Wieviel Kilo wiegt ein Bob eigentlich?
Als grobe Range sind es ca.170 Kilo. Man kann noch etwas Gewichte einbauen und die Athletinnen dürfen zusammen maximal 160 Kilo wiegen. Dieses Gewicht haben wir mit mir als Anschieberin zum Glück nicht erreicht. Aber auf der anderen Seite darf man auch nicht zu leicht sein. Ist man zu leicht, fehlt unten der Schwung sowie der Speed. Das ist wirklich eine Wissenschaft für sich.
Ich nehme an mit dem Gewicht und der Ausrüstung hat man einen gewissen Spielraum. Alex Burghardt, wie können wir uns das vorstellen?
Genau etwas Spielraum ist da. Mit Helm, Anzug und allem darf man exakt 80 Kilo wiegen. Da sind wir aber etwas drunter gewesen. Wir haben immer ein bisschen Luft gelassen, denn für mich ist diese „Gewichtssportsache“ ganz neu. Ich bin jetzt kein Mensch, der sich jeden Tag wiegt und ich habe eigentlich kein Gespür für diese Zahlen.
Natürlich kenne ich meinen Körper und merke, wenn sich da was verändert. Aber die anderen Mädels kennen ihren Körper in und auswendig. Die wissen genau was sie um welche Uhrzeit wiegen und was beim Rennen noch passiert. Sie können das total gut einschätzen. Ich tue mich damit etwas schwerer. Was ich abends wiege, was ich morgens wiege oder was ich wiege, wenn ich aufgeregt bin und vielleicht geschwitzt habe. Das war alles fremd für mich. Um nicht zu schwer zu werden haben wir immer etwas Spielraum und ein bisschen Luft gelassen.
Der Bob muss mehrmalS im Jahr von A nach B gebracht werden. Bist Du da eingebunden?
Das läuft zum Glück meistens über den Verband. Allerdings ist die Pilotin zurzeit sehr involviert und das Ganze ist ein ziemlich logistischer Aufwand. Mariama fährt den Schlitten das ganze Jahr mit ihrem Transporter von A nach B. Aber am Sonntag nach dem Wettkampf, haben wir die Schlitten gemeinsam in Kisten verladen, in denen sie nach Europa verschifft wurden. Zusätzlich gab es eine Packliste, nach der wir uns richten mussten. Der chinesische Zoll ist streng. Wenn in der Liste steht, es sind 3 Helme drin, dann müssen auch 3 Helme drin sein und keine vier oder auch keine zwei. Sonst gibt’s Ärger.
Wo ist der Unterschied vom Gepäck beim Bobfahren im Vergleich zum Sprint?
Meine Schuhe und Spikes – fertig.
Wie unterscheidet sich das Training der Sprinterin Alex Burghardt von der Bobfahrerein Alex Burghardt
Eigentlich ist es gleich. Denn als Anschieberin ist man auch Sprinterin. Der Bob muss so schnell wie möglich beschleunigt werden. Und grundsätzlich trainiere ich auch fast gleich. Als ich in das Abenteuer gestartet bin, war es für mich unter der Voraussetzung, dass ich im Sommer eine gute Form habe und alles passt.
Natürlich musste ich ein paar Abstriche machen. Einfach aus dem Grund, dass das Zweigleisige natürlich enorm viel Zeit und Energie kostet. Und, es sind die spezifischen Voraussetzungen des Schlittens auf der Eisbahn dazu gekommen. Das kostet tatsächlich sehr viel Kraft genauso wie die Fahrt an sich.
Während der Fahrt mache ich eigentlich nichts mehr, aber der Körper wird extremen Kräften ausgesetzt. Das merkt man erst abends oder am nächsten Tag.
Ich habe an den Recovery Daten der Uhr gemerkt, dass das richtig reinhaut. Durch die G-Kräfte ist eine Bobfahrt eine extreme Belastung für den Körper. Wir haben das Training etwas anpassen müssen. Statt 6 Läufen habe ich nur noch vier Durchgänge gemacht.
Hast du ein spezielles Krafttraining für den Oberkörper machen müssen?
Ich habe tatsächlich im Vorfeld etwas für den Oberkörper gemacht. Aber über die letzten Jahre habe ich schon zusammen mit meinem Physio den Fokus auf den ganzen Körper gelegt. Und das Anschieben des Bobs, ist gleichzeitig ein Krafttraining für den Oberkörper. Das gilt gerade für die spezifischen Einheiten. Ich glaube im Oberkörper habe ich jetzt ein bissel mehr Kraft bekommen.
Wie oft schiebt man einen Bob im Training an? Macht man z. B. zwei Fahrten am Tag oder fährt man ständig hoch und runter?
Wir haben nie ein Bahntraining gehabt, ich bin sofort in die Wettkampfsaison eingestiegen. In der Weltcup Woche waren es immer 2 – 3 Trainingsfahrten sowie 2 Wettkampffahrten. Das sind maximal 5 Fahrten pro Woche, aber das schlaucht schon.
War es schwieriger, die passende Technik zu erlernen oder das perfekte Timing im Ablauf zu finden?
Das Reinspringen und Sitzen hat von Anfang an gut funktioniert. Das war ganz intuitiv und zum Glück gleich richtig. Was schon schwieriger war, war das Timing am Start. Es ist enorm wichtig, dass wir uns beide gleichzeitig bewegen und beide gleichzeitig den ersten Impuls ans Gerät geben. Wenn ich zu früh oder Mariama zu spät ist, macht das sofort 2-3 Hundertstel in der Startzeit aus.
Ich bin es gewohnt auf einen Startschuss zu reagieren. Beim Bob besteht das Signal aus mehreren Worten: „ok – steht – fertig – und“. Beim „d“ geht’s dann los. Hier den Rhythmus zu finden war für mich das Schwierigste.
Aber in Peking hat es super geklappt und wir hatten auf Anhieb die zweitschnellste Startzeit im ganzen Feld. Nur die Startzeit von Elana Meyers Taylor war schneller. Mit mehr Erfahrung hätten wir sicherlich auch vorne liegen können.
Gab es mal einen richtigen Fehlstart, so dass DU den Bob quasi verpasst haSt?
Ja, es gab in Altenberg eine Situation, in der ich etwas Schiss hatte. Das ist eine sehr flache Startstrecke. Man läuft relativ weit, aber ab einem gewissen Punkt wird der Schlitten auf einmal schneller. Man schiebt ab dem Punkt nicht mehr, sondern müsste schon im Bob sein. Ich bin in diesem Fall daneben gestiegen und am Schlitten abgerutscht. Das ist eine gefährliche Situation. Zum Glück habe ich es noch geschafft mich in den Schlitten zu ziehen.
Für Peking war das jedoch gut, denn durch die Erfahrung im Vorfeld, passiert das in der Regel nicht wieder.
Hast du für die richtige „Bobtechnik“ auch auf der Tartanbahn trainiert?
Genau, hauptsächlich das reine Athletiktraining und das Krafttraining. Wir hatten sogar die Möglichkeit, die Startstrecke mit einem Schlittensimulator zu trainieren.
Wie groß war der zeitliche Unterschied in der Vorbereitung auf die Sommerolympiade vs.Winterolympiade?
Ich würde fast sagen, dass die Vorbereitungen auf die Sommerspiele eigentlich mein ganzes Sportlerleben waren. Denn mein Ziel war ab dem Augenblick in dem ich in der Leichtathletik mit dem Leistungssport begonnen habe die Olympischen Spiele. Und das hat ca. 10 Jahre gedauert. Diese Zeit kann man auch auf die Winterspiele anrechnen und nicht nur die speziellen 4 Monate, in denen es um das Bobfahren ging. Die Grundlagen wurden schon vorher gelegt.
Was ist körperlich und mental anstrengender, das Bobanschieben oder der Sprint
Körperlich auf jeden Fall der Sprint, gerade wenn ich auch mal 200 Meter laufe. Genauso das entsprechende Training mit den Tempoläufen. Das ist körperlich und psychisch eine Herausforderung.
Beim Bob ist das etwas einfacher, denn es sind eben nur 30-50 Meter. Da tut es nirgendwo richtig weh. Hier war es eher die fehlende Routine, denn im Prinzip war ich, die Sprinterin Alex Burghardt, ja die „Anfängerin“. Ich fühlte mich auch immer mal wieder kritisch beobachtet, denn es gibt immer Menschen, die den „Quereinstieg“ nicht so gut finden.
Habt ihr euch die letzten Wochen und Monate rein aufs Bobfahren und das Anschieben konzentriert?
Wir haben versucht unserem Sprinttraining treu zu bleiben. Es war bissl schwierig, denn ich hatte über 2,5 Monate kein Präsenztraining mit meinem Trainer. Aber die Bedenken, dass sich Technikfehler eingeschlichen haben, waren schnell vom Tisch. In dem Laufcamp auf Teneriffa war meine Form super. Ich war so schnell wie noch nie.
Das Bobtraining hat neue und gute Reize gesetzt. Das ist sicherlich auch meiner Sprintererfahrung zu verdanken, denn ich bin mir bewusst, worauf ich achten muss. Das hätte bei der 18 oder 19 jährigen Alex sicherlich anders ausgesehen.
Merkst du einen großen Unterschied hinsichtlich des Laufgefühls auf einer Tartanbahn oder auf dem Eis?
Eigentlich merke ich gar keinen Unterschied. Die Spikes unterscheiden sich etwas. Die Spikes der Eisschuhe sind mehr wie ein Nadelkissen. Sie sind viel schärfer und dünner, aber an und für sich ist es sehr ähnlich. Auf dem Eis ist natürlich härter. Aber das spürt man dann im Nachhinein, wenn es in der Kniekehle zwickt.
Der Bobverband hatte schon ein paar Mal angegefragt. Was waren deine Beweggründe, jetzt „Ja“ zu sagen?
Hätte ich gleich „Ja“ gesagt, wäre es mir wie eine Flucht aus meinem eigentlichen Sport vorgekommen. Da hat es hier und da noch gehapert und die Zeiten, die am Ende standen, haben mich nicht zufrieden gestellt. Also musste ich mich erstmal um „meine“ Sportart kümmern, damit für mich dort alles stimmte.
Dann kam der letzte Sommer und es hat alles gepasst. Ich hatte meine Ziele erreicht und die Olympischen Erlebnisse waren so toll. Alex Burghardt, habe ich zu mir gesagt, noch ein Olympia ist cool.
Was bedeutet für Alexandra Burghardt Teamspirit und Vertrauen. Ist beim Bobfahren eine andere Art des Vertrauens nötig?
Ja, auf jeden Fall. Der Teamgedanke beim Bobfahren ist sogar noch größer. Und es lässt sich nicht wirklich mit der Leichtathletik vergleichen. Zwar laufen wir auch Staffeln und verstehen uns gut, aber wir sind auch viel allein unterwegs.
Im Bobsport ist man jedoch den ganzen Winter miteinander unterwegs. Und ich muss auch einfach meiner Pilotin vertrauen. Ich kann z.B. den Schlitten nicht steuern, also muss ich 100 % Vertrauen in sie haben. Und mit Mariama hatte ich das Vertrauen vom ersten Tag an. Sie hat mir das Gefühl vermittelt, gut aufgehoben zu sein. Mit Stürzen muss man natürlich ständig rechnen. Das Team hat mir jedoch versichert, dass Mariama eine super Pilotin ist. Stürze mit ihr seien unwahrscheinlich. Und so war es dann auch.
Aber, im Bobsport ist es auch international wie in einer großen Familie. Man unterstützt sich gegenseitig, sagt sich Hallo, packt mit an und ist für einander da.
Wenn du auf der Strecke unterwegs bist, wieviel bekommst du von der Fahrt mit. Was geht einem durch den Kopf?
Kurz gesagt: Eigentlich bekomme ich alles mit.
Der Kopf ist zwischen den Knien, daher sehe ich zwar nur den Schlittenboden, aber ich weiß immer genau wo wir uns befinden. Den Bahnplan präge ich mir genau ein. Damit weiß ich z. B. wann ich nach dem Ziel bremsen muss. Das darf nicht davor sein, aber auch nicht zu spät im Ziel. Das ist auch ungünstig. Und ich merke natürlich, ob eine Fahrt gut oder schlecht ist, denn wir spüren jede Bande.
Am schönsten sind die perfekten Fahrten. Man bekommt keine blauen Flecken und es läuft schön dahin. Gerade die Bahn in Peking ist für Anschieber sehr angenehm. Es gibt keine Druckkurven, was es aber etwas schwieriger zu fahren macht. Es fehlen dadurch G-Kräfte und der Schlitten läuft eher Gefahr auszubrechen oder zu rutschen.
Die Fahrten in Altenberg sind da schon viel wilder – und es gibt mehr blaue Flecken.
Werden Mariama und Alex Burghardt in der nächsten Wintersaison wieder an den Start gehen?
Wir werden auf jeden Fall weiter im Kontakt sein.
Aber mein Bobprojekt ist jetzt abgeschlossen. Ich freue mich darauf, mich wieder zu 100% auf eine Sportart zu fokussieren. Ich bin froh, dass es vier Monate so super geklappt hat, zumal es nicht absehbar war, dass der Körper und der Kopf so mitmachen.
Auf Dauer wäre es wohl etwas vermessen zu glauben, dass man in beiden Sportarten auf einem Top-Niveau liefert. Sich auf eins zu konzentrieren ist schon eine gute Sache.
Für die nächsten Jahre bin ich wieder Leichtathletin – bis Paris.
Als abschließende Frage an Alex Burghardt: Hättest du jemals damit gerechnet, eine Medaille bei den Winterspielen zu gewinnen?
Also vor August nicht. Als das Projekt begonnen hat, war das natürlich das Ziel. Und wir sind superhappy, dass unser Mut belohnt wurde.
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