Lange Zeit standen im Ausdauersport nur Männer im Fokus. Und auch sportwissenschaftliche Erkenntnisse wurden vorwiegend aus Studien mit männlichen Teilnehmern abgeleitet, was zu einer Forschungslücke bezüglich geschlechtsspezifischer Unterschiede führte. Aktuell werden Frauen zwar vermehrt, aber immer noch nicht ausreichend in Studien mit einbezogen. Daher besteht weiterhin eine große Diskrepanz in den Schlussfolgerungen und die Frage, ob Frauen anders trainieren sollten bleibt im Raum stehen.
Sollten Frauen anders Trainieren – ein kurzer Blick zurück
Historisch gesehen wurden Frauen in zahlreichen Sportarten lange Zeit erheblich benachteiligt. Ein Beispiel dafür ist die Frauenleichtathletik bei den Olympischen Spielen 1928. Besonders deutlich wurde dies beim 800-m-Lauf, der zu einem kontroversen Moment wurde. Denn, nachdem mehrere Läuferinnen nach dem Zieleinlauf erschöpft zusammengebrochen waren, stand für einige Sportfunktionäre fest, dass Frauen nicht für Ausdauerleistungen im Sport geeignet seien. Diese unfair gezogenen Schlussfolgerungen verstärkten die bereits existierenden Vorurteile und trugen zur weiteren Diskriminierung von Frauen im Sport bei. Es dauerte bis zu den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles, bevor Frauen erstmals im Marathonlauf antreten durften.
Die »New York Times« schrieb: »Das Finale des 800-Meter-Laufs der Frauen, in dem Frau Lina Radke aus Deutschland einen Weltrekord aufstellte, demonstrierte deutlich, dass sogar diese Distanz der weiblichen Stärke zu viel abverlangt.« Prompt strich man den 800-Meter-Lauf für Frauen wieder – und das sogar bis 1960.
Die Benachteiligung von Frauen zeigte sich auch im Radsport, wo sie lange Zeit nicht offiziell an Veranstaltungen wie der Tour de France teilnehmen durften. Erst 2014 wurde mit der Einführung der Tour de France Femmes, auch bekannt als La Course by Le Tour de France, eine offizielle Radrennveranstaltung für Frauen parallel zur Männer-Tour eingeführt.
Leistungsrelevante Unterschiede
Die sportliche Leistungsfähigkeit wird maßgeblich von anthropometrischen und physiologischen Unterschieden zwischen Frauen und Männern beeinflusst. Diese physischen Unterschiede lassen vermuten, dass Frauen anders trainieren sollten.
Frauen weisen im Vergleich zu Männern typischerweise eine geringere Körpergröße, ein niedrigeres Körpergewicht, einen kleineren Muskelfaserdurchmesser sowie eine reduzierte Muskelmasse auf. Zudem ist ihre Testosteronkonzentration deutlich niedriger, während die Östrogenkonzentration zyklusabhängig höher ist. Hingegen haben Frauen deutlich höhere intramuskuläre und subkutane Fettspeicher als Männer. Der daraus resultierende höhere Fettumsatz der Frauen bei Ausdauerbelastungen wurde in mehreren Untersuchungen bestätigt.
Diese höhere Fettoxidationsrate bei extensiven Ausdauereinheiten bedingt einen niedrigeren Kohlenhydratumsatz bei Frauen, d.h. bei einem moderaten Ausdauertraining mit geringer bis mittlerer Intensität nutzen Frauen vorwiegend Fettsäuren für die Energiegewinnung und weniger Kohlenhydrate als Männer. Frauen können unter anderem deshalb besonders gut lange lockere Ausdauereinheiten absolvieren und verbrauchen dabei weniger Kohlenhydrate als Männer.
Der geschlechtsbedingte Leistungsunterschied variiert je nach Sportart. In der Leichtathletik sind die Leistungsdifferenzen in den Sprung- und Wurfdisziplinen bis ins hohe Lebensalter größer als in den Ausdauer- und Schnelligkeitsdisziplinen.
Frauen sollten anders trainieren
Die Unterschiede zwischen Frauen und Männern haben Auswirkungen auf das Training. Beim Krafttraining müssen Männer aufgrund ihrer höheren Muskelmasse mit schwereren Lasten arbeiten, um effektive Trainingsreize zu setzen. Ihr höherer Testosteronspiegel führt zudem zu einem schnelleren Muskelaufbau, was bekannt ist. Doch wie sieht es beim Ausdauertraining aus?
Das Frauenherz, ein kleiner, aber effizienter Motor
Frauen brauchen aufgrund ihres „kleineren Motors“, eine höhere Drehzahl, um vergleichbare Trainingsreize wie Männer zu erzielen.
Frauen haben aufgrund ihrer kleineren Herzgröße eine höhere Ruheherzfrequenz als Männer. Unter maximaler Belastung im Sport erreichen Frauen jedoch ähnliche maximale Herzfrequenzen wie Männer gleichen Alters. Das bedeutet, dass sich die maximale Herzfrequenz zwischen den Geschlechtern nicht unterscheidet. Dennoch zeigen Studien, dass es geschlechtsspezifische Unterschiede in der Herzfrequenz gibt, wenn diese mit der Laktatkonzentration in Zusammenhang gebracht wird. Untersuchungen von Hottenrott und Neumann haben ergeben, dass Frauen im Vergleich zu Männern bei gleicher Laktatkonzentration eine höhere Herzfrequenz haben. Dies bedeutet, dass Frauen und Männer unterschiedliche Herzfrequenzvorgaben benötigen, insbesondere im aeroben Trainingsbereich. Vereinfacht ausgedrückt bedeutet dies, dass Frauen, aufgrund ihres „kleineren Motors“, eine höhere Drehzahl benötigen, um vergleichbare Trainingsreize wie Männer zu erzielen.
Sollten Frauen anders trainieren – Unterschiede in Leistung und Erholung
So erholte sich in dieser Laborstudie beispielweise die Laktatkonzentration der Frauen schneller als die der Männer, wo hingegen sich die Herzfrequenz der Frauen langsamer erholte.
Spannende Ergebnisse fanden wir in einer eigenen randomisiert kontrollierten Laborstudie heraus. Bei dieser Studie untersuchten wir gleich gut trainierte Frauen und Männer bei einem HIIT-Training auf dem Radergometer.
Dabei wurden signifikante Unterschiede zwischen den Geschlechtern bezüglich des Leistungsabfalls bei aufeinanderfolgenden maximalen Sprints über 30 Sekunden festgestellt. Frauen wiesen einen deutlich geringeren Leistungsverlust auf, sowohl bei kurzen aktiven Pausen (1 und 3 Minuten) als auch bei längeren Pausen (10 Minuten) zwischen den Sprints. Zudem konnten wir signifikante Unterschiede im Erholungsverlauf von Herzfrequenz, Laktat und subjektiver Beanspruchung feststellen.
Frauenspezifisches Training durch individuelles Monitoring
Angesichts der vielfältigen und faszinierenden Unterschiede zwischen Frauen und Männern ist es unerlässlich, dass Trainingspläne im Sport, insbesondere im Ausdauersport, diese geschlechtsspezifischen Besonderheiten berücksichtigen. Halbmarathon- und Marathontrainingspläne mit Zeitzielen müssen sich in vielen Aspekten wie Umfang, Intensität, Intervallpausen und Regenerationszeiten zwischen den Geschlechtern unterscheiden.
Trotz der aktuellen Erkenntnisse im zyklusbasierten Training bleiben geschlechtsspezifische Unterschiede zwischen Frauen und Männern in den konkreten Trainingsinhalten in vielen kommerziellen Trainingsplänen oft unzureichend berücksichtigt. Hier bieten sich viele Möglichkeiten, unter anderem durch den Einsatz fortschrittlicher Polar Sportuhren. Sie messen präzise die Herzfrequenz und viele körperbezogene Daten während des Trainings und in der Erholungsphase und ermöglichen es, individuelle ganzheitliche Trainingspläne zu entwickeln. Damit können Pläne gezielt auf die einzigartigen Bedürfnisse und physiologischen Unterschiede von Frauen zugeschnitten werden, basierend auf den neuesten Erkenntnissen aus Wissenschaft und Praxis.
Literatur:
Hottenrott, L., Ketelhut, S., Schneider, C., Wiewelhove, T., & Ferrauti, A. (2021). Age-and sex-related differences in recovery from high-intensity and endurance exercise: a brief review. International journal of sports physiology and performance, 16(6), 752-762.
Hottenrott, L., Möhle, M., Ide, A., Ketelhut, S., Stoll, O., & Hottenrott, K. (2021). Recovery from different high-intensity interval training protocols: comparing well-trained women and men. Sports, 9(3), 34.
Hottenrott, K., Neumann, G. (2012) Geschlechtsspezifische Formel für optimale Trainingsherzfrequenzen. Schweizerische Zeitschrift für Sportmedizin und Sporttraumatologie. 60 (3), 202-205.
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